„Das ist ja toll, dass Ihr das macht!“ Ein Satz, den wir immer wieder hören, wenn wir erzählen, dass wir unser Haus verkauft haben und jetzt einen LKW zum Reisemobil umbauen, um damit in ca. drei Jahren um die Welt zu fahren. Raus aus dem Alltag, rein ins sogenannte Vanlife (ein Begriff, bei dem sich Lars übrigens die Fußnägel hochbiegen). Fast zwangsläufig schließt sich in der Regel die nächste Frage an: „Wo soll es die Reise denn als erstes hin gehen?“ Inzwischen erstaunt uns die Frage nicht mehr so sehr, denn genauso erstaunlich wie die Frage für uns ist, ist die Antwort oft für die Fragenden: „Das ist gar nicht wichtig, denn darum geht es gar nicht. Es geht ja darum, dass wir unser Leben komplett umstellen wollen. Wir werden ja unsere Zelte hier Zuhause komplett abrechen. Es geht also vielmehr um die Frage, ob alles so funktioniert, wie wir uns das vorstellen …“ Und ja, wir beruhigen dann auch gleich, denn selbstverständlich haben wir eine grobe Idee, wo wir zuerst hin fahren wollen. Aber auch diese Idee ist vielmehr geprägt von praktischen Überlegungen als von den Urlaubsgedanken, die man im normalen Leben so hat.
Aktuell haben wir die Idee, im Sommer einmal die Ostsee zu umrunden, wieder nach Deutschland zurück zu kommen, um ggf. Umbauten und/oder Reparaturen vorzunehmen und dann im Winter Richtung Marokko zu fahren … Oder umgekehrt. Je nachdem, wann wir dann losfahren. Vielleicht fahren wir auch Richtung Griechenland? Da habe ich gerade richtig viele schöne Bilder gesehen … Vielleicht aber auch nicht. Naja und danach geht’s auch nochmal nach Deutschland, um noch einmal zu reparieren und zu optimieren. Denn uns ist schon klar, dass dieses Vanlife nicht so ist, wie es auf Instagram gezeigt wird. Auf jeden Fall ist noch dem Testjahr alles offen. Und wenn wir uns in der Testphase noch nicht gegenseitig die Gurgel zugedrückt haben, unsere Coolness nicht völlig den Bach runter und unsere ewige Liebe nicht in die ewigen Jagdgründe verbannt wurde, dann geht’s auf richtig große Fahrt. Seidenstraße, Mongolei oder vielleicht schon nach Kanada verschiffen … Eben die Weiten diesen Welt bewundern. Und das halt über einen längeren Zeitraum.
Zeit ist relativ
Ein weiterer Punkt, den wir uns zwar immer wieder wie ein Mantra aufsagen, aber selbst noch nicht wirklich begreifen ist, dass wir ja keinen Zeitdruck mehr haben irgendwo ankommen zu müssen. Unsere Reise ist, in dem Moment, in dem wir unsere Wohnung auflösen, nicht mehr Zeitbegrenzt. Das heißt, dass wir nicht mehr drei oder vier Tage Kilometer reißen müssen, um irgendwo anzukommen. Wir haben alle Zeit der Welt … Was für ein wunderbarer Gedanke … Allerdings fällt natürlich auch das Urlaubsfeeling früher oder später weg. Denn das wird dann ja Alltag. Und genau hier fängt es an interessant zu werden. Was passiert, wenn Vorfreude bzw. das Gegenteil von Urlaub wegfallen? Wenn sich alles irgendwie vermischt?
Philosophisch betrachtet ist nichts ohne sein Gegenteil wahr oder existent. Weiß existiert nur, wenn es Schwarz gibt. Oder anders ausgedrückt: Gibt es das Schöne, wenn nichts Häßliches existiert? Okay, das sind schon etwas abgehobene Gedanken … Aber die Angst, dass der Traum den wir da träumen sich am Ende einfach als unglaublich banaler Alltag entpuppt, schwingt schon irgendwie mit.
Klar wissen wir, dass uns diese Lebensform an sich nicht glücklicher macht. Das was uns jetzt schon glücklicher macht ist das Neue, das Ausprobieren und die Vorfreude. Und schon ist die Unsicherheit wieder mit am Start: Was, wenn die Vorfreude weg ist? Ist dann immer noch Freude da? Wäre es dann nicht doch sinnvoller einfach alles so zu lassen, wie es ist? Unsere Antwort darauf ist: Nein! Auf keine Fall. Du lässt das mit dem Hausbau ja auch nicht bleiben, weil Du, wenn Du fertig bist „nur“ ein Traumhaus hast. Du willst ja dieses Leben in diesem Haus. Du willst den Garten, die Parties und Du willst Deine Kinder dort aufwachsen sehen. So verhält es sich auch mit unserem Traum vom Leben im Expedititons-LKW. Wir wollen diese Welt sehen. Vor allem ihre verborgenen Winkel, weitab von den Touristen Zielen. Und selbst die wollen wir sehen. Wir wollen andere Menschen und Kulturen kennenlernen. Und wir wollen uns tagelang langweilen und einfach nur in die Landschaft glotzen, um danach wieder mit Hochdruck und derselben Aussicht an unseren Projekten zu arbeiten … Tja und da wir die Nummer mit dem Haus schon hatten, ist uns durchaus klar, dass die Nummer mit dem LKW auch nicht so wird, wie wir uns das vorstellen. Wenn es aber ähnlich wird, wie beim Haus, dann werden wir eine Menge Freude auf dem Weg haben. Und wer weiß, vielleicht wird uns auch das Leben im LKW irgendwann langweilen. Wahrscheinlicher ist, dass wir es körperlich irgendwann nicht mehr hinkriegen, aber darüber machen wir uns Gedanken, wenn es soweit ist.
Glück ist eben nicht die Abwesenheit von Unglück …
Wird uns das neue Leben glücklicher machen als das Alte? Ich glaube nicht. Ich glaube, dass man auch in einen neuen Lebensentwurf schon ein gewisses Quantum Glücklich-sein mitbringen muss. Ähnlich wie mit dem Kinderkriegen … Ein Kind kann keine Beziehung retten. Wird zwar immer wieder versucht, es wird aber auch immer wieder vehement davon abgeraten. Und die meisten Versuche scheitern. Scheint also was dran zu sein … Wer aber eine gute, glückliche Beziehung führt, deren Beziehung wächst und gedeiht mit Kindern … Zugegeben, mit jeder Menge Wachstumsschmerzen, aber es lohnt sich auf jeden Fall. Aber das ist eine ganz andere Geschichte 😉 Vielleicht wird es ja auch mit dem Vanlife 50 Plus so werden: Wachstumsschmerzen en Masse und unbeschreibliche Glücksmomente, die die Schmerzen einfach wegpusten. Ein anstrengendes Leben, voller Schwarz-Weiß-Kontraste und ganz viel Wegpusten. Das wär’s doch.
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